Iraqi freedom?

John Keegan: "The Iraq War" https://www.puls200.de/wp-content/plugins/Sterne/img/icon-rating-star_f_blue.gifhttps://www.puls200.de/wp-content/plugins/Sterne/img/icon-rating-star_f_blue.gifhttps://www.puls200.de/wp-content/plugins/Sterne/img/icon-rating-star_f_blue.gifhttps://www.puls200.de/wp-content/plugins/Sterne/img/icon-rating-star_f_blue.gifhttps://www.puls200.de/wp-content/plugins/Sterne/img/icon-rating-star_n_blue.gif

Hierbei handelt es sich um ein brilliant recherchiertes Buch, das den gesamten Hergang des derzeit ablaufenden Irakkriegs beleuchtet. Der erste Teil holt weit aus, erklärt die historischen und theologischen Grundlagen, angefangen von der antiken Frühgeschichte, über das Osmanische Reich zu der Kolonialverwaltung durch die Engländer. Ebenso enthalten eine detaillierte Schilderung der Amtszeit von Saddam Hussein.
So genau auf die militärischen Details eingegangen wird, so unerklärt bleibt die politische Zielsetzung. Die Opposition der Europäer zu dem Krieg wird als "Olympianism" abgetan. Das sei die Verblendung, alle Konflikte diplomatisch lösen zu wollen (und die damit verbundene Zahnlosigkeit). Im Falle Europas mag das stimmen, aber zwei wesentliche Argumente Europas gegen den Krieg wurden weggelassen:
- Der Beweis für die Existenz der sog. "weapons of mass destruction" (TM) wurde nie erbracht
- Ein Konzept für die politische Neuordnung nach der Invasion wurde nicht vermittelt (siehe derzeitiger Zustand)
Es bleibt daher ein etwas halbseidener, hurra-patriotischer Geschmack zurück. Man mag Keegan zwar gern zustimmen, daß die Invasion ein brilliant ausgeführtes militärisches Manöver war, bei dem die Invasoren sich redlich bemühten zivile Opfer zu vermeiden. Aber danach? Skepsis bleibt. Es wird auch keine Vision einer möglichen politische Neuordnung der Region vermittelt, außer eines aktualisierten Nachwortes (von 2005, das Buch ist aus 2003). Darin aber im wesentlichen nur interessant die Beschreibung der Partikularinteressen der anderen Grenzstaaten.

Gas & AC-130

Zwei außenpolitische Themen haben es diese Woche sogar in die "Charts", nein, ich meine in die Schlagzeilen geschafft, die ich selbst schon seit einiger Zeit intensiver beäuge:

  1. Die nicht besonders subtile Art der Putin-Schröderschen Firma zu zeigen, wo hier die Abhängigkeiten liegen. Wer ohne ausreichende Eigenproduktion Unmengen an Energie verbraucht liefert sich gutgläubig denjenigen aus, die unsere rechtstaatlichen Werte nicht teilen. Beschwichtigungen von allen Seiten, die Vorräte reichten aus, außerdem hätte der Zulieferer nun auch ein Interesse daran, daß wir beliefert werden. Ja genau! Das Interesse hat er und an Gegenleistung in Form von Devisen, außenpolitischen Stillhalten und anderem ist er auch interessiert. Vorausschauende Politiker (ein Oxymoron, oder gar eine Contradictio in adjecto?) könnten diesen Anklang einer Krise dazu nutzen, die Umbildung der Energieversorgung anzugehen. Einen Anklang hiervon hört man im Statement von Frau Merkel. Ok, zuviel Optimismus für einen verregneten Dienstag im Januar.
  2. In Somalia, einem Land mit derzeit reichlich Blei in der Luft sind gestern die Amerikaner zum ersten Mal offen in die Kampfhandlungen eingetreten. Nachdem die äthiopischen Truppen die unbeliebte Bodenarbeit fast abgeschlossen haben und die islamischen Milizen an die kenianische Grenze gedrängt haben wurden gestern nacht AC-130 gegen Ansammlungen Versprengter eingesetzt.
    Diese Propellerflugzeuge stammen aus dem Vietnamkrieg ("Puff the Magic Dragon") und besitzen Miniguns, die seitwärts aus dem Rumpf auf den Boden gefeuert werden, während das Flugzeug einen Kreis um das Ziel fliegt. Das klappt natürlich nur dann, wenn faktisch keine Luftabwehr vorhanden ist. Sollten die Islamisten dort tatsächlich am Rand einer Niederlage stehen? Die Parallelen zum Irak sind unübersehbar. Hier könnte sich eine mögliche Alternative zur derzeitigen amerikanischen Strategie abzeichnen.

Vorratsdatenspeicherung

In der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung aller digitaler Kommunikation (E-Mail, SMS, Handy, Internet), die nach dem Willen der Regierung nächstes Jahr eingeführt werden soll, regen sich zaghafte Proteste. Zaghaft vor allem deswegen, weil sich die meisten Menschen schlicht nicht vorstellen können, welche Konsequenzen die Tatsache mit sich bringt, daß nichts mehr gelöscht werden kann. Das geplante System ist zudem noch äußerst riskant, da der gesammelte Datenfundus äußerst gut bewacht werden will. Man kann sich kaum vorstellen, daß man mit den gewonnenen Erkenntnissen sehr viel mehr Terroristen und Teilnehmer organisierter Kriminalität fassen kann. Sehr wohl kann man sich allerdings vorstellen was passieren könnte, wenn diese Daten in falsche Hände gelangen. Das hätte eine ähnliche Dimension, wie wenn man die Stasiakten der Wikipedia hinzugefügt hätte. Ein sogar in meiner eigenen Familie immer wieder gern gehörtes Gegenargument läuft darauf hinaus, daß sich nur derjenige Sorgen zu machen braucht, der "nichts zu verbergen hat". Darin liegen allerdings zwei Denkfehler: Erstens möchte man sicherlich gerne auch völlig legale Dinge verbergen (Geschäftskontakte, ärztliche Gutachten, zwischenmenschliche Kontakte), andrerseits setzt diese Denke immer die Redlichkeit desjenigen voraus, der die Daten sichtet und auswertet. In der gegenwärtigen Situation halte ich vor allem den zweiten Punkt für wesentlich.
Insgesamt ist diese ganze Geschichte eine Parallele zu dem DRM / Kopierschutztheater. Da die Daten mit Leichtigkeit vervielfältigt und gespeichert werden können, werden sie es auch. Selbst wenn der Gesetzgeber eine Kehrtwende macht und im historischen Sinne das Telekommunikationsgesetz aufrechterhält , würde es am Ende auf dasselbe hinauslaufen. Uns muß klar sein, daß jede öffentliche Äußerung aufgezeichnet wird. Eine öffentliche Äußerung ist denn nicht nur ein Weblogeintrag wie dieser hier, sondern eben auch eine E-Mail, ein Telefongespräch oder eine SMS. So zu denken ist unbequem, das ist klar. Wir müssen lernen, das stark zu verschlüsseln, was wir für uns behalten wollen. Dahin ist es noch ein weiter Weg. Ich merke es beispielsweise daran, daß mir selbst hochintelligente Menschen noch immer unverschlüsselt ihre Geschäftsideen per EMail offenbaren. Die Auswerter freuen sich und haben weniger Arbeit.
Hier findet man mehr über die Initiative gegen die Vorratsdatenspeicherung.

Respekt!

Achtung, jetzt wird es gleich ein bißchen böse. Ich krieg langsam nen dicken Hals, wie man so schön sagt. Es mögen für sich genommen Kleinigkeiten(?) sein, in ihrer Häufung nötigen sie mich nun dazu, etwas Dampf abzulassen. In keiner speziellen Reihenfolge folgendes:

1. Gestrige medienträchtige Meldung, in der verlautbart wurde, daß Island seit heute endlich wieder den Walfang durchführt, der seit zwanzig Jahren verboten ist. Stolz zogen sie einen riesigen Finnwahl mit einer Winde an Land. Macht nix, daß man den Kadaver wirtschaftlich eigentlich fast nicht mehr nutzen kann, es geht ums Prinzip. Das Maßband wird angelegt und danach die spezielle Walsense geschliffen (mußte sicher erst wieder entrostet werden). Den armen Kerl aufgesägt (Ratsch!). Das dabei enstandene Geräusch wurde den Zuschauern vorenthalten.

2. Gestern vormittag machten wir einen schönen Spaziergang auf den Holzberg. Dieser ist von Weinbergen bedeckt, die sich in dieser Jahreszeit so herrlich verfärben. Dazu Wärme und Sonnenschein, was will man mehr. Auf dem Weg gibt es zwei Stellen, an die man mit dem Auto hinkommt (obwohl der Weg gesperrt ist). Eine kleine Aussichtsstelle auf halber Höhe und der Grillplatz oben. Diese Zonen sind halbe Müllhalden, wo ausgefressene McDonaldstüten, Flaschen(splitter), Chipstüten und Zeugs das noch ekliger ist herumliegen. Ich frage mich wirklich. Die Menschen die das tun kommen doch auch dorthin, weil es eine schöne Stelle ist.

3. An der Ampel hält neben mir ein Vehikel, das durch Auspuffanlage und Innenraumbeschallung ganz auf maximale Lärmemission ausgerichtet ist. Die Tür geht auf, der Inhalt des Aschenbechers landet auf der Straße. Grün! Schickes Heckscheibentatoo.

4. Stolz wird mir von der Eliminierung bereits erwähnten Hornissennestes durch 2l Normalbenzin berichtet. Helden der Gegenwart, immer darauf bedacht, das arme, von der Natur so fürchterlich geplagte Volk zu beschützen. Ich hätte kotzen können.

Ich könnte jetzt noch eine Weile weitermachen, aber dann würde vermutlich Langeweile den gewünschten Effekt zunichte machen.

Diese Verhaltensweisen ähneln einem Mann, der seine Frau verprügelt. Obwohl er, außerstande sich selbst etwas zu kochen, seine Kleidung zu reinigen usw. von ihr in überlebenswichtiger Weise abhängig ist. Ich glaube auch, daß beides von derselben inneren Wut, Beschränktheit und Unfreiheit ausgelöst wird (man findet sie mehr in Männern als in Frauen). Um das Problem zu lösen muß man wahrscheinlich diese Wut löschen.
Was wir wertschätzen (wollen), das behandeln wir mit Respekt.

Was sie wirklich wollen

Schneier schreibt heute einen exzellenten Artikel über den Terrorismus, den die westliche Welt derzeit auszuhalten hat. Und wir reagieren genau so, wie es die Terroristen erwarten!

Hier die m.E. wesentlichen Sätze:

Our politicians help the terrorists every time they use fear as a campaign tactic. The press helps every time it writes scare stories about the plot and the threat.

Das ist genau der Punkt. Wenn jedes dieser Ereignisse wochenlang in den Medien gehypt wird erwarten die Menschen natürlich Reaktionismus. Und es scheint langsam klar zu werden, wo der hinführen wird. Ich hoffe nicht, daß wir es noch erleben müssen wie man den Muslimen gelbe Halbmonde an die Jacken heftet. An ähnlicher Stelle verwundert mich die verhaltene bis ignorante Reaktion der entsprechenden hier lebenden Volksgruppen. Oder ist das nur wieder ein Bildungsproblem. (Ich bin mir nicht sicher, was ich unheimlicher finden würde).

EDIT
Hier muß ich noch was anfügen: Um die Hilflosigkeit der nationalen Justitia gegenüber festgenommenen Terroristen zu beseitigen wird hier vorgeschlagen, Terroristen so ähnlich wie Piraten zu behandeln. Dadurch soll eine internationale Ächtung hergestellt und somit die Rechtsprechung vereinfacht werden. Außerdem wird dadurch die starke nationale Bindung etwas aufgehoben. Das ist schlüssig, da die Opfer im Ferienort wie auf hoher See eher international sind.
Hier sind die Kommentare teilweise sehr lesenswert.