Gegenlenken

Ich fahre mit dem Wagen auf einer Pass-Straße. Immer wieder gibt es scharfe Kurven, auf der Talseite geht es bedrohlich weit runter. Ich gehe vom Gas, lenke etwas ein und tippe vielleicht die Bremse kurz an. Völlig gefahrlos das alles, die Familie im Fond schläft selig. Oder spielt Handy. Oder schaut sogar raus.
Szenenwechsel. Diesmal kein Auto, sondern ein Kies-Laster, das ganze bergab und mit defekter Bremsanlage. Mit kurz vom Gas gehen und vorsichtig einlenken ist es hier nicht getan. Drastische Maßnahmen müssen schnell ergriffen werden, wenn die Katastrophe vermieden werden soll.
Gnadenlos runterschalten ohne Rücksicht auf das Getriebe, die defekten Bremsen malträtieren, Ausschau halten nach einer Abzweigung, vielleicht sogar einen geplanten Crash herbeiführen. Lkw-Fahrern fallen hier sicherlich noch bessere Optionen ein.
Das ist natürlich alles wieder nur ein weit hergeholter Vergleich zu dem, was in einer Firma ablaufen kann, die sich aktuell auf einem wirtschaftlich nicht vorteilhaften Kurs befindet, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Kleine Änderungen oder drastische Maßnahmen? Dabei sind für mich zwei Fragen interessant, die ich versuche, in dasselbe Bild zu setzen:
1. In welchem Fahrzeug sitzen wir überhaupt? Rauscht hier der Kieslaster bergab oder nur ein Tuk-Tuk? Was kann maximal passieren, wer und was ist überhaupt betroffen?
2. In welchem Verhältnis stehen die Maßnahmen zu der befürchteten Situation? Müssen Radfahrer bergab jetzt Bremsfallschirme tragen? Oder werfe ich eine Schippe Schotter vom bereits vorher bemühten Laster und hoffe, dass er dadurch deutlich langsamer wird?
Wie man sich denken kann, kommt es also sowohl auf das richtige Verhältnis an, als auch auf die Art der Gegenmaßnahme. Wenn man beschließt, statt Kies nun einfach Stahlbrammen zu befördern ändern sich dadurch nicht die Fahreigenschaften des Lkw.
Das ganze ist natürlich in einem Unternehmen viel komplizierter als in meinem dämlichen Beispiel. Aber die Mechanik ist durchaus vergleichbar. Für drastische Maßnahmen ist vor allem eine gewisse Risikobereitschaft notwendig. Diese ist natürlich bei bestellten Führungskräften höher als bei den Eigentümern, die einen echten Verlust zu verkraften haben, wenn die Sache schiefgeht. Dennoch: Eine falsche Maßnahme verzögert möglicherweise nur das Unausweichliche oder macht es am Ende tatsächlich unausweichlich. Wie den Crash zwei Serpentinen weiter unten.

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